Jackie Z. | Quality Magazine
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Jackie Z.

Jacques Zolty kreiert teure Parfums und regiert die Jetsetinsel St. Barth ein bisschen mit. Er weiß, wann wer wo zu Mittag isst. Denn er sitzt meist mit am Tisch

von Anne Philippi

Wieso sagen Franzosen am Telefon zum Abschied immer “I wish you a nice night” – auch wenn es erst 18.00 Uhr ist? Das kommt häufig vor, und bei Jacques Zolty ist es nicht anders. Vielleicht, weil Jacques heute Nacht in Paris ausgehen wird. Ausnahmsweise. Normalerweise trifft man Jacques selten im Nachtleben, gegen 18.00 Uhr hört er meist ein paar Miniwellen beim Plätschern zu. Jacques Zolty lebt auf St. Barth, dem sehr kleinen Jetsetnest auf den französischen Antillen, wo er sein Parfumbusiness betreibt. Einen wirklich schlechten Ort hat er dafür nicht ausgewählt. Höchstens ein bisschen isoliert.

Das Meer hier gehört zu den Privatbadewannen des Jetsets. Weihnachten und Neujahr fährt Hollywood entweder in Aspen Ski oder steht bis zu den Knien im Meerwasser von St. Barth. Glücklicherweise explodierte vor 50 Millionen Jahren ein Vulkan, der die heute beinahe unbezahlbaren Buchten und 22 Puderzuckerstrände hinterließ. Der nächste große Schritt: Die Rockefellers tauchten auf, kauften Grundstücke und Häuser und verkauften wieder. Danach hatte die Küste – nur drei Flugstunden von New York entfernt – den Ruf einer geschützten Burg für sehr reiche Menschen. Wenn die Rockefellers schon hier waren, heißt das schließlich etwas.

An den Villenbriefkästen steht kein Name, der Postbote weiß auch so, wo Kate Moss wohnt. Angst vor Dieben oder Überfällen à la Cote dAzur muss hier niemand haben. Die Insel ist sicher, mehr als sieben Polizisten gibt es nicht. Worte wie “La Crise” oder “Economy” fallen hier nie. Die Wochenmiete für ein Haus liegt zwischen 5 000 und 50 000 Dollar, Rezession hin oder her. Vielleicht wird in den Shops ein Gucci- Shirt weniger verkauft, aber damit hat es sich.

Jacques Zolty betreibt von hier aus sein Parfum- Headquarter. Seine Düfte sind für den Mann, der “nahe an der Natur lebt”, wie er erklärt. Im Programm: “Eau de toilette Jacques Zolty” aus Bergamotte, Zitrone, Lavendel, Rosmarin und einer Prise Zypresse, zu haben in den üblichen Läden, in denen der St.-Barth-Fan shoppt. Aber auch der weiblichen Kundschaft hat sich Zolty zugewandt. “Lily Beach” ist inspiriert von den Traumstränden von St. Barth und besteht aus Ingwer, Kardamom und Zeder. Für die Anzeige fotografierte Zoltys Freund Patrick Demarchelier eine nackte Frau auf einem Felsen in St. Barth. “Das ist doch ganz natürlich!”, findet Zolty.

Seit mehr als zwanzig Jahren regiert Jacques das System St. Barth ein wenig mit. Alle Orte des Jetsets verfügen über diese Art von Systemunterstützern und heimlichen Präsidenten, es gibt sie auch in St. Tropez, St. Moritz und Porto Cervo. Sie sind Wirt, Clubbesitzer oder Immobilientypen und sehen immer gleich aus: irgendwo in den Fünfzigern, Salz-und-Pfeffer-Haar, tiefe, aber nette Furchen rechts und links der Nase. Sie haben schon ein bisschen was erlebt, sind aber kein Wrack. Ihr Look ist nie besonders fashionable, hat aber immer etwas von einem Dandy. In Jacques´ Fall ist das viel weißes Leinen, Panamahut. That´s it. Männer wie Jacques kennen alle urlaubenden Berühmtheiten persönlich. So gut, dass sie regelmäßig mit den Stars zu Mittag essen, darüber später aber nicht in den Boulevardzeitungen quatschen. Was dazu führt, dass die urlaubenden Berühmtheiten auch weiterhin mit ihnen lunchen, über Jahre. Kate Moss, Johnny Depp und “diese eine Freundin von André Balazs, wie heißt die noch mal … ach so, Uma Thurman!” Früher hat Zolty selbst berühmte Menschen auf St. Barth fotografiert, aber seinen Mittagessensplänen würde das heute wohl eher im Weg stehen. “Die Leute kommen hierher, um in Ruhe gelassen zu werden.”

“Wie geht´s den Rothschilds auf St. Barth?”

“Gut, sehr gut”, sagt Jacques, mehr wird man nicht erfahren. Und genau deshalb trägt er den Namen “Monsieur St. Barth”.

Unter diesen Umständen, denen der Ruhe und eines dauernden Feriengefühls, entstehen Jacques Zoltys Parfums.

Morgens um sechs steht er auf, schwimmt eine Stunde im Meer, danach ein kleines Frühstück. “Ich mache meinen Bürokram, aber nur bis Mittag, danach Mittagessen mit Stars und Nicht-Stars der Insel. Ich koche nicht selbst.” Das Wort “Familie” fällt nicht, obwohl in Zoltys Anzeige für “Eau de toilette Jacques Zolty” Sohn Leon auf seinen Schultern reitet.

Was passiert abends? Wieder schwimmen und dann ab auf einen Drink ins Select. Monsieur St. Barth mag auch den Partyclub Casa Nikki, ein “göttlicher Ort”, wie Jacques erklärt. So ganz ohne Nightlife hält es ja am Ende doch niemand aus.

Sagen wir es mal so: Die Tatsache, dass Zolty an einem “mediatisierten Ort wie St. Barth” lebt (sagt er selbst), schadet seinen Parfums nicht. St. Barth weckt im üblichen Klatschzeitungsleser ähnliche Phantasien wie St. Moritz oder St. Tropez: endlose Strände, nie endende Nächte, in denen so viel Champagner wie sonst nirgendwo gesoffen und/oder auf perfekte, parfümierte Bikinikörper gesprüht wird.

“So ist es hier nicht!”, schwört Zolty. “Der Ort ist exakt nicht St. Tropez oder St. Moritz, darauf können Sie sich verlassen.” Hier sei es so, wie es sich die meisten Milliardäre und Stars wirklich wünschten. Man könne sogar nackt am Strand herumlaufen, deshalb kämen viele hierher. Die Bodyguards sind quasi unsichtbar, und alles andere ist extrem lässig. Um auf Partys zu gehen, muss man keine großen Anstrengungen unternehmen. Und keine hundert Telefonate führen, damit man auf irgendwelchen Listen steht. “St. Barth ist der Club selbst, und alle treffen sich an derselben Stelle am Strand, man kann sich gar nicht verpassen.”

Als St. Barth sich in eine “mediatisierte Insel” verwandelte, also in Zeitschriften und den Köpfen der Lesern als Phantasie stattzufinden begann, war Zolty zur Stelle.

Sein Freund und Kollege Patrick Demarchelier hatte Anfang der neunziger Jahre Cindy Crawford für eine Modeproduktion auf St. Barth fotografiert. Damals bemerkten die Paparazzi, dass es einen neuen Ort gab, den sie einmal im Jahr aufsuchen mussten. Models, Rock- und Filmstars kamen angeflogen, um alle paar Minuten mit einem Champagnerglas ins warme Meerwasser zu hüpfen. Und wenn heute auf einer teuren Parfumflasche St. Barth steht, muss man genau an diese Bilder denken: Menschen, barfuß, im Bikini oder in Badehose, ohne Kreditprobleme und feiernd mit a) Roman Abramowitsch, b) Mick Jagger oder c) Kate Moss. Natürlich umringt von Paparazzi.

Die kennt Jacques seit Jahren persönlich. Gesichter mit riesigen Kameras davor, Jungs, die von Weihnachten bis Ende Januar am Strand campieren, um ein paar Abschüsse zu bekommen, prägt man sich ein. Und wenn sie nicht doch gerade im Schnee von Aspen sitzen, lauern sie Jacques auf. Sie wissen, warum.

“Sie fragen mich jeden Morgen, wo ich hingehe. ,Bonjour, Monsieur Jacques, wohin gehen Sie, Monsieur Jacques?” – Sie wissen, dass Zolty sich zum Mittagessen mit jemandem trifft, der ihnen 20 000 bis 30 000 Dollar einbringen könnte, aber Monsieur St. Barth hält die Klappe.

Meist geht er wirklich mit Stammurlaubern wie einst Prinzessin Diana essen oder fährt am Nachmittag mit Marc Jacobs und dessen Ehemann Boot. In Monsieur St. Barths Gegenwart muss Herr Jacobs keinen Klatschsüchtigen befürchten, alle Anekdoten behält Zolty für sich. Ein paar Namen rutschen aber natürlich doch immer wieder raus.

Mit “La Princess Diana” war er sehr gern unterwegs, und wenn Jacques mal kurz in London sein musste, hing er mit ihr ein paar Stunden im Buckingham Palace herum. “Ich musste ihr immer erzählen, was in St. Barth los ist.”  So wahnsinnig international ist Zolty natürlich gar nicht. Im Prinzip ist und bleibt er Franzose.

“Ich bin viel zu sehr in mein Land vernarrt, als dass ich es einfach verlassen könnte. Deshalb bin ich nach St. Barth gegangen, französisches Territorium, aber immer warm und am Meer.” Alle paar Monate muss Zolty zurück in seine wirkliche Heimat. Als Parfümeur darf man den “Duft der vier Jahreszeiten” nicht verlieren. Lange kann er nicht wegbleiben. St. Barth wäre in der Zeit ein wenig führungslos.